Kanzlei. Kultur.

AKTUELLE AUSSTELLUNG IN UNSEREN KANZLEIRÄUMEN

HEINRICH STICHTER: MALEREI / IKONOSTASE
geboren 1940 in Sondermoning (Chiemgau)
1959 – 1964 Akademie der Bildenden Künste München bei Prof. Oberberger
Einzelausstellungen und Ausstellungsbeteilungen (Auswahl):
Berlin, Augsburg, München, Nürnberg, Salzburg, Erlangen, Freising, Bad Reichenhall, Rosenheim
lebt und arbeitet in Traunstein

83278 Traunstein
Zwieselstr. 3

Malerei wie ein Melos…  von Gerhard Götze

Die Fläche bestimmt die Geographie, einen Radius; ihre Individualität dauernde Befindlichkeit. Der Maler Heinrich Stichter kam daher, wohin er nach der Ausbildung an der Münchner Akademie wieder zurückkehrte. Ihn zog es nicht in die Metropolen. Stattdessen gestaltete er ein bisher der Öffentlichkeit fast vorenthaltenes Werk über drei Jahrzehnte, das vom Kubismus über die Materialcollage zu einer Planimetrie mit gestischen Dukuts kam. Hierfür beispielhaft sind Kreuz- und Kreisform, die diskontinuierliche Bildebenen bezeichnen, in einem temporären Lineament Verstärkung, Bejahung erfahren.
Hierzu dienlich sind Spachtelmasse, Eisenringe, Hanfseile usw., die sowohl als Positiv- wie Negativform augenfällig werden. Diese strukturieren eine Fläche, deren Selbstverständnis verlustig ist, den Widerstand der Einebnung kenntlich machen. Jede dabei belegte Geste referiert Hoffnung wie Versagen. „Die Suche nach dem absoluten Bild“ stand seit je im Vordergrund. Dazu ergab sich immer wieder die Zufälligkeit der Dinge, die achtlos umherlagen und Heinrich Stichters Wege kreuzten, Metaphern seiner Bilder wurden. Die Collage- wie Décollagebilder währten ein Jahrzehnt, deren auslösender Moment auf Dauer die leere Fläche blieb.

Schließlich kam die Collagetechnik einem in diesen Jahren vorherrschenden, ordnenden Grundgefühl nah, das eher der Tektonik wie der Spontanität verpflichtet war. Erst in den ’70er Jahren trat ein gelöster gestueller Grundzug zutage. Ihm erwiesen Bilder wie „Monde“, „Gefurcht“ Referenz, obgleich noch Einflüsse der Collage spürbar hervortraten, die zu den Bildern verweisen: „Bezeichnete Stelle“, „Geologisches“, und dem Heer des übrigen Oeuvres, das im schöpferischen Fluß nachfolgte. Kurzum: diese Phase thematisierte statt der reinen Materialcollage mehr die Tendenz zur Mischtechnik, deren unebene Oberfläche dem Relief zuneigte. Dies auch in dem Maß , dass Heinrich Stichter die Holzfläche, wenn er eben Holz als Träger verwandte, mit einer Negativstruktur (Einritzung) durchfurchte, die ihrerseits die Holzmaserung als Bestandteil des Bildes gebrauchte. Dieser Aspekt zeigt, in welcher Heftigkeit Heinrich Stichter den Zerstörungsprozess einbezog, der die Dualität zum immerwährenden Bild formt. Ihre nivellierende Periodisierung finden diese Bilder mehr im gestischen Vollzug der ausgehenden ’70er Jahre: die Kontur zentriert Masse, die schwungvoll gesetzt ist, dabei spielt ihr Ausmaß nur eine augenblickliche Rolle, mehr ist ihr Tenor das Gesamt, getragen von der rauschhaften Geste, dem Auftrag.Heinrich Stichter Im Vordergrund steht das Signal, das Wähnende, die blitzartige Rhythmisierung, ihr Augenschein: Gesichte, die ihres Selbstverständnisses harren. Das Hastvoll-Rastlose widerscheint ihrem Erscheinungsbild, das mit breitwandigem Pinselauftrag bezeugt wie verdeckt. Ähnlich Gasen im Reagenz: ihr Erscheinen verbleibt im Unscheinbaren, erst die Kenntnis ihres Seins gewährt Einblick in ihre Substanz. – Dies die Dimension, so dass die Sicht der Dinge die Übereinkunft traf. Gemeinsam traten wir aus dem Atelier, nahmen im umfriedenden Garten Platz, in dessen Carré; ich einige Bilder zu plazieren bat. Unser Einvernehmen erübrigte der Worte, destomehr maßen wir die umstehenden Bilder. Hochsommerliche Temperatur in Traunstein. In der Nachbarschaft schnitt ein Jemand Hecken. Auch dröhnendes Hammerklopfen von ferner her. Das Sonnenlicht fiel prall auf die Bilder; vereinzelt changierte der Lichteinfall auf den sie schützenden Glasscheiben. Nunmehr lag die diffuse Atmosphäre des Atelierraumes hinter uns. Und der Eindruck der großen Leinwände war unverwischt: sie maßen den Moment und die Wahrhaftigkeit des Seins.